Aufstand der Rentner

Beitragsbild: Bernd Grill quälte sich in der letzten Partie des Tages zu einem mühevollen Remis und setzte so den gelungenen Schlusspunkt

Oberliga Württemberg 2025/26   Runde 4:
SV Heilbronn 2   –  SVE   2,5:5,5

Allmählich wird es uns selbst unheimlich, wie gut die Saison bislang verlief – doch nun wartete ja der haushohe Favorit auf unser Team, der uns an einem normalen Tag ganz klar die Grenzen aufzeigen sollte. Kurios: während der SVE mit sechs Spielern jenseits der fünfzig Lenze antrat, boten die Gastgeber sechs Spieler unter 50 Jahren auf! Offenbar hatten die Heilbronner unsere Mannschaft ernst genommen, denn sie boten erstmals in dieser Saison die ersten vier Bretter auf, die ihnen zur Verfügung standen. Es sollte letztlich eine erstaunlich klare Angelegenheit werden, nur mit völlig umgekehrten Vorzeichen als erwartet …

Michael Mehrer (7) lieferte sich mit seinem Gegner schon in der Eröffnung eine Abtauschorgie, die zunächst gar nicht so schlecht für ihn aussah, doch der vorübergehend gewonnene Mehrbauer musste zur Eindämmung der gegnerischen Initiative schon bald wieder zurückgegeben werden, wonach die Partie ins Remis durch dreifache Stellungswiederholung austrudelte. Werner Junger (6) sah sich mit einer besonders aggressiven Spielweise seines Gegners konfrontiert, bewahrte aber stoische Ruhe und hielt seine Stellung solide zusammen. Mit der Zeit gelang es ihm, die gegnerischen Schwächen konsequent auszubeuten und einen selten geradlinigen Sieg mit den schwarzen Steinen einzufahren. Keinen Deut schlechter machte es sein Bruder Uli Junger (8), der das Geschehen schon bald mit Schwarz diktierte und seinem Gegner Material abknöpfte, das für die Verwertung zum Sieg letztlich ausreichte. Die Gastgeber kamen nochmals heran, da bei Nils Wurmbauer (4) die Kompensation für einen geopferten Bauern nach einigen ungenauen Zügen immer weniger wurde und schließlich gar nicht mehr vorhanden war. Ein für ihn optisch attraktiver Zug stellte sich dann als der entscheidende Schnitzer heraus, der zur Niederlage führte. Hartmut Hehn (5) hatte die Eröffnung ohne großen Esprit gespielt und geriet unter Druck, konnte aber die Stellung zusammenhalten und einen halben Punkt sichern. Dann setzte beim Stand von 3:2 für den SVE das bange Warten ein, da ein schnelles Ende der drei noch laufenden Partien an den Spitzenbrettern nicht zu erwarten war. Das Duell an Brett 3 wurde zum Knackpunkt des Matches: zunächst war Dietmar Kessler (3) klar überspielt worden, aber dann konnte er von einem unverhofften Glücksfall profitieren:

Weiß hängt in den Seilen und sollte nach 35… Tb1-b2+ 36. Kd2-d1 Kf7-e8 37. c5-c6 Ke8-d8 mittelfristig verlieren. Kaum besser ist 36. Kd2-c1 Tb2-b5 37. c5-c6 Kf7-e8 38. Se1-c2 e6-e5, wonach Schwarz alles im Griff behält. Stattdessen geschah aber (wohl in Zeitnot) das vermeintlich gewinnbringende 35… Tb1xe1?? mit der Überlegung 36. Kd2xe1 Sf4xd3+ 37. Ke1-d2 Sd3xc5 und Gewinn. Zum Entsetzen seines Gegners spielte Dietmar aber nach 36. c5-c6!! Te1-e3 37. c6-c7 Te3xd3+ 38. Kd2-e1! plötzlich selbst auf Gewinn. Nach einigen weiteren Zügen kam es zu folgender vogelwilder Stellung:

Hier streute Dietmar das eminent wichtige Zwischenschach 46. Dc7-c6+! ein und unterband damit die schwarze Hoffnung auf ein Dauerschach, indem der Turm entlang der e-Linie ununterbrochen Schachgebote abfeuert. Der schwarze König kann weder nach g5 (sonst würde der Bauer mit Schach umgewandelt) noch nach h5 (wegen 47. Dc6-f3+ Kh5-g6 48. Df3xe2 Sd3-f4+ 49. Kh3-h4 Sf4xe2 und der zweiten Umwandlung) und muss dem weißen König das Feld h4 überlassen. Auf 46… Kg6-g7 47. d7-d8D gab Dietmar nach 47… Sd3-f4+ 48. Kf3-g3 Te2-e3+ eine Dame mit 49. Dc6-f3 zurück und wehrte alle Gefahren ab. Sechs Züge später stellte Schwarz den Widerstand ein.

Wie sich die Bilder doch gleichen: zum wiederholten Mal brauchte es nach diesem eminent wichtigen Sieg noch einen halben Zähler an den Spitzenbrettern, wo sich Michael Rupp (2) eine epische Schlacht mit einem FIDE-Meister lieferte. Er spielte über weite Strecken eine sehr stark gespielte Partie, hatte aber einmal Glück, dass ein ernsthafter Patzer folgenlos blieb und sein Gegner die gut getarnte Ressource nicht erspähte. Beide Kontrahenten lehnten jeweils in der Folge einmal ein Remisangebot ab, doch Michael bewahrte heute souverän die Ruhe, kam nie in ernste Zeitnot und überspielte seinen Gegner in den folgenden Verwicklungen. Ein verdienter Sieg! Bleibt noch die Partie vom Spitzenbrett zu erwähnen, wo Bernd Grill (1) nach einem Aussetzer in eine strategisch trostlose Stellung geriet und sich schon frühzeitig mit den weißen Steinen seiner Haut erwehren musste. Es passte jedoch ins Bild, dass selbst diese furchtbare Stellung mit viel Verbissenheit und Akkuratesse in ein Turmendspiel mit zwei Mehrbauern für den Gegner auf der f-Linie und der h-Linie abgewickelt werden konnte. Bernd meisterte die Verteidigung fehlerfrei und steuerte noch einen zusätzlichen halben Zähler bei, auch wenn er damit weiterhin der einzige Spieler des Teams mit einem negativen Score ist.

Hier das Endergebnis in der Übersicht:

Brett Heilbronner SV 2 SV Ebersbach 1 Brettpunkte
1 Degenhard, Simon 2286 Grill, Bernd 2165 ½:½
2 Ramirez Marin, Ivan 2299 Rupp, Michael 2179 0:1
3 Schnepp, Gunnar 2216 Kessler, Dietmar 2225 0:1
4 Tschlatscher, Thomas 2189 Wurmbauer, Nils 2060 1:0
5 Walter, Richard 2022 Hehn, Hartmut 1996 ½:½
6 Ludwig, Sebastian 2037 Junger, Werner 2018 0:1
7 Hagenmeyer, Jannis 1961 Mehrer, Michael 2017 ½:½
8 Menschner, Juergen 2040 Junger, Ulrich 1936 0:1
Gesamtergebnis 2,5:5,5

Natürlich gerieten wir erwartungsgemäß unter Druck, aber letztlich entschieden die Erfahrung und die außerordentliche Zähigkeit, die unser Team speziell an den ersten drei Brettern an den Tag legte, diesen epischen Kampf, der mit Sicherheit zu den besten drei Duellen der vergangenen zehn Jahre in der Historie des SVE gezählt werden muss. Mit einem derart deutlichen Ergebnis gegen den klaren Favoriten hatte im Vorfeld wohl niemand gerechnet! Als Lohn geht der SVE als Tabellenführer in die Winterpause, auch wenn das aktuelle Bild derzeit durch den vorzeitigen Rückzug von Jedesheim etwas verzerrt ist. Der SC Grunbach hat schon ausgesetzt und könnte theoretisch wieder vorbeiziehen, aber andererseits zeigt dieser jüngste Streich, dass diese Liga sehr ausgeglichen zu sein scheint und klare Ergebnisse die absolute Ausnahme darstellen. Jedenfalls bleibt es enorm spannend, doch der angestrebte Klassenerhalt ist bereits zum Greifen nah!

Ungläubiges Staunen über die eigene Leistung nach dem Match!

Die 5. Runde steht erst im neuen Jahr an, wenn der SVE am 18. Januar 2026 die Gäste aus Sontheim an der Brenz zum nächsten Tanz bittet. Bis dahin genießen wir noch eines der außergewöhnlichsten und erfolgreichsten Jahre in der Geschichte unseres Vereins!

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