Der Berichterstatter hatte auch überlegt, ob er als Überschrift stattdessen die Schlagzeile „Vormittag reloaded“ wählen sollte. Allein was die Ergebnisse betrifft, würde das auch hinkommen, denn unsere beiden Protagonisten erzielten jeweils dasselbe Ergebnis wie am Vormittag. Entsprechend geht daraus die bemerkenswerte Feststellung hervor, dass Bernd also schon wieder gewonnen hat – nunmehr die dritte Eins in Folge! Bei Bernd zumindest läuft´s also mittlerweile nun wie am Schnürchen …
Eine Sache zumindest war jedoch anders, nämlich der Spielverlauf in Hartmut´s Partie. Während er sich heute Vormittag doch die meiste Zeit mit seiner Partie herumquälen musste, war der Fortgang der abendlichen Partie für ihn sicherlich deutlich weniger beschwerlich. Das war wohl auch hilfreich, denn Hartmut berichtete mir, dass er sich gegen Ende der zweiten Partie heute abend doch ziemlich ausgelaugt gefühlt hat; die fast 100 Züge andauernde Verteidigungsschlacht am Vormittag hatte Substanz gekostet.
Die Vormittagspartie forderte letztlich vielleicht auch noch insofern ihren Tribut, dass Hartmut in seiner abendlichen Partie wohl zweimal gute Chancen ausgelassen hatte; beim ersten Mal konstatierte meine Analyseengine einen satten Mehrbauer Vorteil, beim zweiten Mal kurz vor der Zeitkontrolle gar zweieinhalb Bauerneinheiten. Ein paar Züge später bot Hartmut dann gezeichnet von annähernd 150 gespielten Zügen dann in wieder ausgeglichener Stellung remis, was der Gegner annahm. Da wäre also durchaus wohl noch etwas mehr drin gewesen.
Noch sehr viel runder läuft es da also bei unserem zweiten Starter. Hatte Bernd heute Vormittag schon nicht allzu große Probleme, die Partie für sich zu entscheiden, lief es am Abend eigentlich noch flüssiger zu seinen Gunsten, hatte der Gegner doch binnen weniger Züge die zugegebenermaßen strategisch recht anspruchsvolle Partie bereits ziemlich an die Wand gefahren; so konstatierte die Analyseengine des Berichterstatters bereits im fünfzehnten Zug entscheidenden Vorteil für Schwarz bzw. Bernd!
Da der Turnierfavorit IM Leon Mons in der Abendpartie nun gegen den Setzlisten-Sechsten Gerhard Reis das erste Remis abgegeben hatte (Bernd hat diesen dagegen besiegt), liegt Bernd entsprechend nun punktgleich mit dem Turnierfavoriten und einem ganzen Punkt Vorsprung auf die nächsten zwei Verfolger mit an der Turnierspitze.
Für die morgige Vormittagsrunde sieht es auf den ersten Blick so aus, dass Bernd mit seiner Ansetzung gegen den Setzlisten-Letzten seiner Spielgruppe und den weißen Steinen beste Voraussetzungen hat, seine Siegesserie fortzusetzen, doch darf dabei nicht vergessen werden, dass es sich bei dem einheimischen Kevin Tong, der bisher 50% Punktausbeute verzeichnet, zwangsläufig um ein sicherlich ziemlich talentiertes Jungtalent handeln muss (Jahrgang 2003, DWZ 2089). Insofern gilt es für Bernd, sehr viel größere Erfahrung und Wissen in die Waagschale zu werfen (wie auch immer das genau zu bewerkstelligen ist).
Hartmut hat sich dagegen nun mit dem Setzlistenersten seiner Spielgruppe Tobias Becker (SK Kronach, ebenfalls DWZ 2089) auseinanderzusetzen, der zwar etwas älter als Bernds Gegner, aber immer noch jung genug ist (Jg. 95). Start der Runde ist 10 Uhr.
Nachfolgend nun die Abendpartien unserer beiden Teilnehmer in analysierter und kommentierter Form:
[Event "Erlanger Himmelfahrts-Open"]
[Site "?"]
[Date "2017.05.26"]
[Round "4"]
[White "Hehn, Hartmut"]
[Black "Wittmann, Helmut"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "C60"]
[WhiteElo "1977"]
[BlackElo "1951"]
[Annotator "Mi. Rupp"]
[PlyCount "85"]
[SourceDate "2017.05.25"]
{Während sich Hartmut also in der Runde zuvor am Vormittag die längste Zeit
mit einer schlechten Stellung herumplagen musste, stand er in dieser Partie
die meiste Zeit besser. Zumindest einmal tat sich dann gar eine
gewinnträchtige Möglichkeit auf, die Hartmut aber (weswegen auch immer)
leider nicht wahrnahm ...} 1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 {Spanisch hat Hartmut
glaube ich schon recht lange nicht mehr gespielt (zumindest in einer langen
"ernsten" Partie)} g6 $5 {das wird eher seltener gezogen, ist aber an und für
sich ein bereits ziemlich alter Zug} 4. O-O ({schärfer würde die Partie wohl
werden, würde Weiß sofort} 4. c3 {ziehen}) ({Auch} 4. d4 exd4 5. Bg5 $5 {
dürfte sich komplikationsreicher entwickeln}) 4... Bg7 5. Re1 {das wurde hier
bislang nur selten gezogen (11 Partien im Chessbase-Livebook)} (5. c3 {bringt
es dagegen auf annähernd 500 Nennungen}) 5... Nge7 6. c3 O-O 7. d4 exd4 $1 {
möchte auch meine Engine spielen, obwohl bisher offenbar erst ein Spieler so
fortgesetzt hat} (7... d6) 8. cxd4 d5 $1 {damit dürfte Schwarz vollständig
ausgleichen können} 9. e5 (9. Bxc6 $5 Nxc6 10. Bg5 $1 f6 11. exd5 Qxd5 12. Nc3
Qf7 $11) (9. exd5 Nxd5 10. Bg5 Qd6 $11) (9. Nc3 dxe4 $11) 9... Bg4 $1 10. Be2
$1 $146 {offenbar eine gute Neuerung, die aber dennoch wohl nur zu gleichem
Spiel reicht ...} ({schlechter findet meine Engine das schon einmal gesehene}
10. Be3 {wegen der dortigen Antwort} f6 $1 $15) 10... Bxf3 $6 {allenfalls eine
zweitklassige Antwort, die auch zur Harmonisierung der weißen
Figurenaufstellung beiträgt} (10... f6 $1 $11) 11. Bxf3 $14 {[%cal Gf7f6,
Ge5e6]} Nf5 12. Be3 (12. Nc3 $6 Ncxd4 13. Bxd5 c6 $11) 12... Nce7 $1 {[%cal
Gc7c6]} 13. Bg5 $5 h6 (13... f6 $5 {[%csl Gg7]}) 14. Bxe7 Qxe7 15. Nc3 (15.
Bxd5 $6 Rad8 16. Nc3 c6) 15... c6 16. Bg4 $1 Qg5 17. g3 (17. Bxf5 $5 Qxf5 18.
Qb3) 17... h5 18. Bxf5 ({noch besser sieht mir} 18. Bh3 $1 {aus:} h4 $6 19. f4
Qh6 20. g4) 18... Qxf5 19. f4 (19. Qb3 $5) 19... Rfd8 (19... Rfe8 {[%csl Ge6]
[%cal Yf7f6] hätte vielleicht der Berichterstatter vorgezogen}) 20. Qf3 Bf8
21. Kg2 (21. Nd1 $5 {[%cal Gd1e3]}) 21... Rac8 22. h3 {[%cal Gg3g4]} Bh6 23.
Re2 (23. Rf1 $1 {[%csl Yf4][%cal Gg3g4]}) 23... h4 $1 24. Qg4 $5 hxg3 25. Kxg3
$6 (25. Qxf5) 25... Qd3+ $1 26. Qf3 Qxf3+ $6 ({Bei der Computerpräferenz}
26... Qxd4 {gefiel dem Gegner vermutlich} 27. f5 {nicht, was optisch auch
durchaus beunruhigend aussieht. Die Maschine lässt das dagegen ziemlich kalt
und konstatiert gleich bei mehreren Schwarzzügen "=/+"}) 27. Kxf3 {hier
jedenfalls steht wohl eher Weiß einen Tick besser ...} Kf8 $6 (27... Bf8 $5 {
sieht mir und meiner Engine nach dem Beginn einer zweckmäßigen Umgruppierung
aus}) 28. h4 $1 $14 Ke7 29. Rh1 Ke6 $6 (29... Rh8) 30. Rg2 ({noch besser
scheint das an und für sich wohl auch recht naheliegende} 30. h5 $16 {zu sein.
Vielleicht verwarf das Hartmut wegen} g5 {, doch nach} 31. fxg5 Bxg5 32. h6 Kf5
33. h7 {ist der weiße Freibauer wohl eher stark als schwach}) 30... Rh8 31. h5
Bg7 32. Rg5 $6 Bh6 (32... Bf8 $1 $13 {[%cal Gf8e7]}) 33. Rg2 Bg7 34. Ne2 Rcg8
35. Rg5 Bh6 $1 36. Rg4 g5 $1 37. Rhg1 f5 $2 ({richtig war es stattdessen,
diesen Bauern nur ein Feld weit vorzuziehen:} 37... f6 38. fxg5 Rxg5 39. Nf4+
$1 Kd7 {und Schwarz scheint ausgleichen zu können. Der Partiezug räumt Weiß
dagegen eine große Chance ein ...}) 38. exf6 $6 {die Hartmut damit verpasst
(vielleicht war da - so knapp vor der Zeitkontrolle -gewisse Zeitnot im
Spiel?!)} (38. Rxg5 $1 {wäre DER Zug gewesen:} Bxg5 $8 39. fxg5 {[%csl Ge6,
Yg5,Yh5][%cal Gh8h5,Ge2f4] für den nominellen Preis eines Bauern hat Weiß
zwei verbundene Freibauern. Hier konstatiert mein Analysetool nach einigem
Rechnen annähernd drei Bauerneinheiten weißen Vorteil, was wohl entscheidend
sein dürfte}) 38... Kxf6 {nun kann Weiß dagegen wohl keinerlei zählbaren
Vorteil mehr erreichen, ganz egal was er zieht ...} 39. fxg5+ Rxg5 $1 $11 40.
Rxg5 {anderes war auch nicht besser ...} Bxg5 41. Kg4 Be3 42. Rf1+ Ke6 43. Rf3
{und auf Vorschlag Hartmuts, der zu diesem Zeitpunkt an diesem Tag fast 150
Züge zu spielen hatte, remis gegeben} 1/2-1/2
[Event "Erlanger Himmelfahrts-Open"]
[Site "?"]
[Date "2017.05.26"]
[Round "4"]
[White "Dr. Etlender, Roman"]
[Black "Grill, Bernd"]
[Result "0-1"]
[ECO "A34"]
[WhiteElo "2112"]
[BlackElo "2167"]
[Annotator "Mi. Rupp"]
[PlyCount "68"]
[SourceDate "2017.05.25"]
{Wie im Rundenbericht bereits verlautbart, lief die Partie für Bernd quasi
wie am Schnürchen. Am Brett sitzend könnte das unser Protagonist aber
zunächst zumindest durchaus etwas anders empfunden haben, denn die Partie
entwickelte sich doch ziemlich komplikationsreich und nicht so leicht
durchschaubar ...} 1. c4 c5 2. Nc3 Nf6 3. g3 d5 4. cxd5 Nxd5 5. Bg2 Nc7 6. Qb3
$5 {[%csl Rb7] das ist der dritthäufigste Zug an dieser Stelle} ({Hauptzug an
dieser Stelle ist natürlich} 6. Nf3 {, wobei sich dann für gewöhnlich nach}
Nc6 7. O-O e5 {ein Sizilianischer Maroczy-Aufbau mit vertauschten Farben ergibt
}) 6... Nc6 {der häufigste und prinzipiellste Zug von lediglich zwei
gespielten Zügen} ({angesichts des angegriffenen b-Bauern bleibt als
Alternative eigentlich nur} 6... Nd7 {, was aber irgendwie doch etwas
unnatürlich aussieht (und die Bilanz sieht mit 70% zugunsten von Weiß auch
nicht allzu gut aus)}) 7. Bxc6+ {....und das hier wird quasi ausschließlich
gespielt und stellt letztlich quasi auch die Idee des vorigen weißen
Damenausfall dar. Allerdings ist dieser Tausch, der die schwarze
Bauernstellung doch ziemlich ramponiert, natürlich letztlich eine
zweischneidige Angelegenheit ...} bxc6 8. Nf3 ({sehr viel öfter wird hier} 8.
Qa4 {gespielt}) 8... f6 {[%cal Ge7e5] das hier ist dagegen der Hauptzug;
Schwarz möchte ...e5 folgen lassen} 9. d3 (9. Qa4) 9... e5 10. Be3 ({Und auch
hier ist} 10. Qa4 {der mit Abstand häufigste Zug. Vielleicht wäre dann der
folgende, für Weiß recht lästige Partiezug auch möglich, aber dann müsste
Schwarz dafür jedenfalls zumindest den Bauern c6 springen lassen ...}) 10...
Bh3 $1 {[%csl Ge1,Gg1] das wurde bisher offenbar erst einmal gespielt,
gefällt aber auch meiner Engine am besten} ({dreimal wurde dagegen schon}
10... Ne6 {gesehen}) 11. Ne4 $146 (11. Qa4 {wurde hier bisher offenbar
ausschließlich gespielt}) 11... Nd5 12. Qb7 $6 {wirkt aktiv, doch damit
gerät Weiß in Wirklichkeit bereits auf die schiefe Bahn} (12. Bxc5 $4 {ging
natürlich nicht wegen} Bxc5 13. Nxc5 Qa5+) (12. O-O-O $5) 12... Nb4 $1 $132
13. Rc1 ({meine Engine möchte zunächst} 13. O-O-O {spielen, erkennt dann
aber, dass Schwarz nach} Rb8 $1 14. Qxa7 Ra8 15. Qb7 $8 Nxa2+ 16. Kd2 Rb8 17.
Qxc6+ $8 Bd7 18. Qa6 $8 Rxb2+ 19. Ke1 Nb4 $1 20. Qc4 $8 Qa5 {einigen Vorteil
bekäme}) 13... Rb8 $1 14. Qxa7 $8 Bg2 $1 {[%csl Gb4,Gd3][%cal Rg2h1,Gg2f3,
Ge2f3] man konnte diese beiden schwarzen Züge auch in umgekehrter Reihenfolge
spielen. Nun hat Weiß bereits ein ziemliches Problem: der Turm hängt und
gleichzeitig hat Schwarz die Option ...Lxf3, wonach auf d3 ein weißer Bauer
mit Schach hängt und anschließender Qualitätsgewinn droht. Und letztlich
kann auch noch eine Rolle spielen, dass die weiße Dame nicht viele Felder hat
...} 15. Nfg5 $2 {[%cal Ra7f7] die richtige Idee, aber der falsche Springer!} (
{die bessere Fassung war} 15. Neg5 $1 {[%cal Ra7f7]} fxg5 16. Nxe5 $1 {[%cal
Ra7f7] , wenngleich die schwarze Stellung auch hier nach} Bd5 $1 {[%csl Yf7]}
17. Rxc5 $1 {und nun vielleicht am besten} Rc8 {[%cal Gd8e7]} 18. O-O Qe7 $1 {
[%csl Ra7,Re5]} 19. Qxe7+ $8 Bxe7 20. Ra5 Bxa2 $15 {vorzuziehen wäre}) 15...
fxg5 $19 {bereits hier zeigt die Analyseengine zweieinhalb Bauerneinheiten
schwarzen Vorteil an ...} 16. Bxg5 $6 {und nun noch deutlich mehr nach der
besten Antwort ...} Qb6 (16... Qc8 $1 $19 {[%cal Rb8a8] , drohend ...Ta8 nebst
...Ta6 mit Damenfang, quittiert die Engine mit ca. "-4,5"}) 17. Nd6+ $2 {
Optimismus oder Verzweiflung?^^ Es funktioniert jedenfalls bei Weitem nicht ...
} ({traurige Notwendigkeit war an und für sich} 17. Qxb6 $8 Rxb6 18. Rg1 $8
Bxe4 19. dxe4 Nxa2 20. Rc2 {, was aber ebenfalls bereis ziemlich verlustig
aussieht}) 17... Bxd6 $8 18. Qxg7 Rf8 19. Rg1 Bd5 $1 {die Engine zeigt hier
bereits fünf Bauerneinheiten schwarzen Vorteil an (!) - und die Bewertung
wird nicht mehr besser werden ^^ ...} 20. a3 Na2 21. Rc2 Rf7 $5 22. Qh6 Kd7 23.
e4 Be6 24. Be3 Qb3 $1 25. Rd2 Nc1 $1 26. f4 Nxd3+ {jetzt sind wir bereits bei
"-13" angekommen ...} 27. Ke2 Bg4+ $1 28. Kf1 Bf3 (28... Qc4 $1) 29. fxe5 $6 {
[%csl Gf1,Gf7]} Bxe4+ 30. Bf4 Bxe5 31. Ke2 Bxf4 32. gxf4 Qe6 $5 (32... Re8) 33.
Qg5 $6 ({notwendig war an und für sich Damentausch mit} 33. Qxe6+ {bei
lediglich noch "-7" ^^}) 33... Bf5+ $1 {#7} 34. Kd1 Rxb2 {#9 nun hatte der
Anziehende dann doch genug} (34... Qb3+ $1 {#6}) 0-1