Am gestrigen Samstag wurde in Spraitbach die diesjährige Einzelmeisterschaft des Schachverbands Württemberg im Blitzschach ausgespielt. 23 Teilnehmer, die bis auf zwei Freiplätze für den ausrichtenden Verein sich über die entsprechende Bezirksmeisterschaft der einzelnen Württembergischen Schachbezirke zu qualifizieren hatten, fanden sich letztlich vor Ort ein, um in einem Rundenturnier „einmal jeder gegen jeden“ im … sagen wir mal … traditionellen (der Berichterstatter zumindest würde hier eher von „antiquierten“ sprechen wollen) 5+0-Modus (oder kann der Schachverband noch immer nicht genügend elektronische Uhren bereitstellen? ) den diesjährigen Verbandsmeister auszuspielen.
Zwar konnte der letztjährige Sieger FM Jens Hirneise seinen Titel nicht verteidigen, da er an diesem Tag noch die Schlussrunde der diesjährigen Deutschen Meisterschaft im „Langsam-Schach“ zu absolvieren hatte (er dürfte es sicherlich nicht bereut haben, der Teilnahme an dieser Veranstaltung den Vorzug gegeben zu haben, vermochte er doch mit der Gesamtbilanz von 5/9 und dem zwölften Gesamtplatz bei vierzig Teilnehmern unseren Württembergischen Schachverband sicherlich würdig zu vertreten), doch es hatten sich noch genügend andere starke Spieler eingefunden, um dem aktuellen Blitzschach-Bezirksmeister unseres Schachbezirks Neckar-Fils, unserem Vereinsvertreter Bernd Grill, das Leben und Trachten nach Erfolg am Brett hinreichend schwer zu machen.
Die Nase bei der Jagd nach dem Titel ganz vorne hatte letztlich der bereits vielfache Blitzschachmeister vergangener Jahre und Vorjahreszweite IM Mark Heidenfeld (SV Jedesheim, Jg `68), der die gleichfalls eher der Spielergeneration „alte Hasen“ zuzurechnenden engsten und nur wenig jüngeren Verfolger FM Gerhard Junesch (SG Ludwigsburg) und Bernhard Sinz (TG Biberach) um 1,5 Punkte zu distanzieren vermochte. Auf den Folgeplätzen finden sich dann vorwiegend noch weitere seit langem etablierte Spieler dieser Kategorie wie FM Josef Gheng oder FM Rudolf Bräuning.
Für unseren Protagonisten Bernd Grill hat es also nicht zu einer absoluten Spitzenplatzierung gereicht, doch mit dem letztlich 7. Platz und der Bilanz von 14,5/22 hat sich Bernd dennoch ziemlich wacker geschlagen. Immerhin gelang es ihm dabei auch als einem von lediglich zwei Spielern, dem neuen Titelträger eine Niederlage beizubringen.
Mi. Rupp
[Event "?"]
[Site "?"]
[Date "2017.07.01"]
[Round "9"]
[White "Grill, Bernd"]
[Black "Schmitt, Tobias"]
[Result "1-0"]
[ECO "D39"]
[Annotator "Mi. Rupp"]
[PlyCount "43"]
{In der folgenden Partie der neunten Runde kam der junge Gegner doch ziemlich
unter die Räder, obwohl Bernd in der Eröffnung etwas durcheinander brachte ..
.} 1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nf3 Nf6 4. Nc3 dxc4 5. e4 {leitet die sog. "Wiener
Variante" ein ...} Bb4 6. Bg5 (6. Bxc4 $5 Nxe4 7. O-O {ist hier eine andere
und zuletzt heiß diskutierte (Gambit-)Variante}) 6... c5 7. Bxc4 cxd4 {so
weit, so gut. Eigentlich kennt sich Bernd auch in diesem Gefilde zumindest
einigermaßen aus, doch unter dem Druck der fünf Minuten verwechselte er nun
irgendwie etwas, wie er dem Berichterstatter später gegenüber einräumte ...}
8. Qa4+ $6 {das wurde laut chessbase-livebook erst ein einziges Mal gespielt.
Wahrscheinlich ist der Zug auch nicht so gut, aber eine Katastrophe war er
(zum Glück) dann auch nicht. Erst zuhause fand Bernd heraus, dass dieser
Zug nur dann gängig ist, wenn Weiß zugs zuvor 7.e5 gespielt hat, wie z.B.
geschehen in einer Partie Ivanchuk-Nisipeanu, die Bernd am Brett sitzend just
hier in den Sinn gekommen war} ({Der Hauptzug} 8. Nxd4 {bringt es dagegen auf
über 800 Eintragungen}) 8... Nc6 9. O-O-O {so war es sicherlich zugs zuvor
bereits vorgesehen} Bd7 $1 $15 10. Nb5 $1 {wohl noch das beste ...} a6 $6 {
danach kann Weiß wohl ungefähr gleiche Chancen erlangen ...} 11. Nbxd4 Nxd4
$2 {danach kommt Weiß nun bereits spürbar besser zu stehen ...} (11... Qb6 {
oder 11...Da5 waren vorzuziehen}) 12. Qxb4 Nxf3 (12... Nc6 $5) 13. gxf3 Rc8 14.
Kb1 $1 $16 {nun kommt Schwarz zumindest vorerst nicht zur Rochade} Qc7 15. Bb3
Qc5 $6 {verständlich, aber objektiv gesehen dennoch ein weiterer Schritt auf
abschüssiger Ebene ...} 16. Qd2 $5 {[%csl Rd7,Yg5][%cal Rg5f6]} (16. Qxb7 $1 {
verwarf Bernd wohl vor allem wegen} Qxg5 {, doch dann ginge} 17. Rxd7 $1 {mit
bereits gewinnträchtiger Stellung}) 16... Bc6 (16... O-O $4 {ging natürlich
noch immer nicht wegen} 17. Bxf6 {[%csl Rd7] und Figurengewinn}) 17. Rc1 $6 (
17. Rhg1 $1 {[%csl Gg1,Gg8][%cal Ge8g8,Gg5f6]}) 17... Qb6 $6 (17... Qe5 $142
$16) 18. Ka1 (18. Qd6 $4 {, um weiterhin die schwarze Rochade zu verhindern,
ging natürlich nicht wegen des Abzugsschachs} Bxe4+ {[%csl Rb1,Rd6] . Gerade
auch deswegen entsprechend Bernd´s Königszug ...}) (18. Rhg1 $1 {[%csl Gg7]
[%cal Gg5e3]}) 18... Nd7 $2 {die schwarze Lage war bereits schwierig, doch
damit gerät der Nachziehende endgültig auf die Verliererstraße ...} (18...
O-O $4 {war noch immer nicht möglich - diesmal wegen} 19. Bxf6 gxf6 20. Rhg1+
Kh8 21. Qh6 {nebst Matt war noch schlechter als der Partiezug}) 19. Qd6 $1 $18
{[%csl Re8][%cal Rd6e7] dieser zweitbeste Zug ist klar gut genug ...} ({
Tatsächlich noch eine Ecke stärker war hier} 19. Bxe6 $3 $18 {um erst im
Fall von} fxe6 $6 {dann} 20. Qd6 {folgen zu lassen}) 19... Nf6 $8 20. Bxe6 $5 {
auch das sollte an und für sich noch gut genug sein ...} (20. e5 $1 {[%csl
Rf6]} Rd8 21. Qa3 {[%csl Ga3,Ge7,Rf6,Gg5][%cal Gf6g8,Gg5d8] war jedoch
überzeugender und eigentlich auch übersichtlicher}) 20... fxe6 $2 {Der
Rookie lässt es hier dann doch etwas an Zähigkeit missen} (20... Qd8 21.
Qxd8+ (21. Qe5 $2 {überzeugt dagegen nach} Qe7 {nicht}) 21... Rxd8 22. Bc4 {
mit Minusbauer und schlechterer Stellung war natürlich auch nicht attraktiv,
aber eben notwendiges Übel}) 21. Qxe6+ Kd8 (21... Kf8 22. Bxf6 {führt
ebenfalls in den Orcus}) 22. Rhd1+ 1-0
[Event "?"]
[Site "?"]
[Date "2017.07.01"]
[Round "16"]
[White "Grill, Bernd"]
[Black "Heidenfeld, Mark"]
[Result "1-0"]
[ECO "C62"]
[Annotator "Mi. Rupp"]
[PlyCount "35"]
{Wie bereits im Turnierbericht geschildert, war es Bernd als einem von
insgesamt lediglich zwei Spielern vorbehalten, dem späteren neuen
Württembergischen Blitzschachmeister einen ganzen Punkt abzuknöpfen.
Bernd konnte sich im Nachhinein nicht mehr an den gesamten Partieverlauf
dieser sechzehnten Runde erinnern, aber zumindest bis zu einem Zeitpunkt, wo
bereits die Weichen auf Erfolg gestellt waren ...} 1. e4 d6 2. d4 e5 $5 {man
und insbesondere der Berichterstatter könnte denken, Mark hat wohl kurz nach
der Jahreswende seine Berichterstattung vom Staufer-Open verfolgt und sich
dabei an die Schilderung der Partie Simona Gheng - Ulrich Junger erinnert, in
der unser "B-Turnier-Platzhirsch" ebenfalls zu diesem Damentausch-Angebot
gegriffen hatte ...} 3. Nf3 {...das Bernd hiermit dankend ablehnte...} Nc6 4.
Bb5 {...und dies auch ebenfalls nach der zweiten entsprechenden Offerte. Nun
ist die Partie per Zugumstellung also in der Steinitz-Variante der Spanischen
Partie gelandet ...} exd4 (4... Bd7 {wird hier häufiger gespielt}) 5. Qxd4 Bd7
6. Bxc6 {tatsächlich wird diese Aufgabe des Läuferpaars an dieser Stelle
ganz überwiegend gespielt, um keine Entwicklungszeit zu verschenken ...} bxc6
{[%csl Gb1,Gd5] damit wollte Heidenfeld wohl vor allem das Zentrumsfeld gegen
einen späteren Schimmelsprung nach d5 in Beschlag nehmen, aber diese Wahl hat
auch gewisse Nachteile ...} ({über dreimal häufiger wird hier} 6... Bxc6 {
gespielt}) 7. Nc3 Nf6 8. O-O c5 ({Auf das natürlich anmutende} 8... Be7 {
gefiel dem Gegenüber vermutlich die Möglichkeit} 9. e5 {nicht, was wohl in
der Tat etwas unangenehm für Schwarz aussieht}) 9. Qd3 Be7 10. b3 $5 {Der
Berichterstatter kann sich erinnern, dass einst schon in den ´80ern GM Ludek
Pachmann in seinem Eröffnungsband zu den Offenen Spielen diese
Entwicklungsweise des Schwarzfeldrigen propagiert hat und für nachhaltiger
hielt als eine Entwicklung nach g5} (10. e5 $1 $16 {war aber in dieser
konkreten Stellung wahrscheinlich noch besser}) 10... O-O 11. Bb2 h6 12. Rfe1
Be6 13. Rad1 $14 {Bernd entwickelt sich einfach, aber gesund ...} Nd7 {[%csl
Gb2][%cal Ge7f6]} 14. Nd5 $1 {[%cal Ge7f6,Gd5f6]} Bxd5 (14... Re8 {war
vielleicht einen Tick besser}) 15. Qxd5 {mit dem Abtausch des Weißfeldrigen
hat der Anziehende nun gute Kontrolle über die hellen Felder} Bf6 {wirkt
logisch, den weißen "Snipper" auf diese Weise neutralisieren zu wollen, doch .
..} 16. e5 $1 Nxe5 17. Nxe5 dxe5 (17... Bxe5 18. Bxe5 dxe5 19. Qxe5 {[%csl Rc5]
sähe nicht besser aus}) 18. Qxc5 $16 {[%csl Re5] Bauernverlust war hier für
den späteren Turniersieger nun nicht mehr zu verhindern, womit spätestens
nun in der Folge ein "Spiel auf 1 Tor" einherging. Heidenfeld kämpfe aber
weiter und schaffte es tatsächlich auch, Bernd auf der Suche nach der
Entscheidung in Zeitnot zu bringen, wobei letztlich aber dann doch der Gegner
zuerst die Bedenkzeit überschritt, während Bernd noch fünf Restsekunden
verblieben waren} 1-0
[Event "?"]
[Site "?"]
[Date "2017.07.01"]
[Round "3"]
[White "Sinz, Bernhard"]
[Black "Grill, Bernd"]
[Result "1/2-1/2"]
[Annotator "Mi. Rupp"]
[SetUp "1"]
[FEN "8/8/6rk/5Q1p/7P/7K/8/8 w - - 0 1"]
[PlyCount "7"]
{Diese Stellung mit Weiß zum Gewinn zu führen, ist sicherlich bei in die
Knier gehenden Uhr nicht ganz trivial, doch für den Gegner wohl nicht
einfacher zu retten, zumal wenn dieser auch nicht mehr Zeit zur Verfügung hat.
Nach dem folgenden Partiezug des Gegners ...} 1. Qf7 $2 {wurde aber nicht
einmal mehr ein Über-die-Zeit-Heben des Gegners möglich, denn Bernd zeigte
sich nun glücklicherweise "voll auf Ballhöhe" ...} Rg3+ $1 2. Kh2 Rg2+ 3. Kh3
{und nun fügte sich der Gegner wohl auch in Würdigung der gegnerischen
Rettungsaktion mit} Rg3+ 4. Kxg3 {ins Patt. In der Schlussstellung hatte Sinz
noch acht Sekunden auf der Uhr und Bernd fünf ^^} 1/2-1/2
[Event "?"]
[Site "?"]
[Date "2017.07.01"]
[Round "14"]
[White "Grill, Bernd"]
[Black "Bräuning, Rudolf"]
[Result "1-0"]
[ECO "A45"]
[Annotator "Mi. Rupp"]
[SetUp "1"]
[FEN "rnb1kb1r/ppB1pp1p/3p1n1q/2pP2p1/2N1P1PP/5P2/P3N3/R2QKB1R w KQkq - 0 14"]
[PlyCount "1"]
{Am Ende der Turnierrückschau aus SVE-Perspektive noch ein besonderes
"Schmankerl" (bzw. für entsprechend Motivierte was zum Knobeln - wohl für
die nächsten Tage ^^) ...} 14. h5 {Wenn der Leser glaubt, dass diese Stellung
hier ja wohl kaum stimmen könnte und der Berichterstatter entsprechend die
Stellung falsch aufgebaut habe, der ... SCHNEIDET SICH tatsächlich! Ja,
man fragt sich hier wohl unwillkürlich, wie es wohl sein kann, dass zum einen
der weiße Läufer auf sinnvolle Weise (und tatsächlich auch nicht von
irgendwelchen Kaffeehaus-Schächern) nach c7 gelangt ist und wohl noch mehr,
wie die schwarze Dame nach h6 in ihren "Käfig" gelangt sein mag?! Die
bereits etwas älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an das
Taschenbüchlein mit dem Titel "Kniffel-Schach" von Peter Krystufek (den etwas
älteren Schächern unter uns vielleicht auch bekannt aufgrund seiner Umtriebe
als Schach-Fotograf und des entsprechenden Ins-rechte-Licht-Rückens seines
(wie er titulierte) "Schach-Topmodels" (ähemm....wie hieß sie den gleich
nochmals? ^^ Ach ja! ...) Regina, mit der er seinerzeit in doch etwas
spleeniger Weise die Leserschaft der "Rochade" in schöner Regelmäßigkeit
nervte). Da galt es ja auch jeweils herauszufinden, über welche Zugfolgen
es zu bestimmten kuriosen Stellungen gekommen sein kann. In dieses Werk hätte
es das Machwerk der beiden Protagonisten dieser Partie wohl ohne Weiteres auch
schaffen können. Insofern möchte der Berichterstatter zumindest den
motivierten "Schach-Kriminalisten" nicht den Spaß nehmen, dieses Kuriosum bzw.
Mysterium an dieser Stelle selbst aufzulösen versuchen (zumal er halt auch
nicht weiß, ob er damit nicht doch womöglich geheimzuhaltende Grill´sche
Eröffnungsgeheimnisse preisgeben würde?!). Jedenfalls erwies sich
Bernd´s positionelle Kompensation als größeres Pfund als die beiden
schwarzen Mehrbauern; "Rudi" kam nicht umhin, sich ziemlich den Kopf zu
zerbrechen und entsprechend viel Zeit investieren zu müssen, wobei das damit
eingegangene Zeithandikap letztlich in materiellen Verlusten endete, womit
Bernd entscheidende materielle Zinsen und Zinseszinzen einzufahren vermochte}
1-0