Finaler Kraftakt reicht zum Klassenerhalt – und verdirbt dem Gegner den Aufstieg

Verbandsliga Süd 2022/23   Runde 9:
SG Donautal Tuttlingen   –   SVE   3,5:4,5

Dramatischer hätte die Schlussrunde für viele der beteiligten Teams kaum laufen können: Langenau (12), Tuttlingen (11) und Pfullingen (10) konnten alle noch aufsteigen. Am anderen Ende der Tabelle war nur Ostfildern sicher abgestiegen, während viele Teams theoretisch noch auf die gefährlichen Plätze 7 und 8 rutschen oder sich nach oben arbeiten konnten. Da die Oberliga erst am kommenden Sonntag zu Ende geht, wird erst dann definitiv feststehen, ob aus der Verbandsliga zwei, drei oder gar vier Teams absteigen müssen. Die Ausgangslage für den SVE war vor diesem Spieltag nicht gut, denn selbst mit einem Sieg hätte es passieren können, dass man weiterhin auf Rang 7 verharren und damit bis zum Ende zittern müsste. Für eine Verbesserung in der Tabelle war man also neben eigenem Zutun auch noch auf Schützenhilfe angewiesen. Durch die peinliche Niederlage zuletzt gegen Mengen war man allerdings selbstverschuldet in dieses Dilemma geraten und brauchte sich somit nicht zu beschweren.

Es ging nicht gut los, denn unser frischgebackener württembergischer Meister Nils Wurmbauer (4) fand sich in einer ihm unbekannten Gambitvariante gar nicht zurecht und geriet chancenlos unter die Räder. In einer wechselhaft verlaufenen Partie mit beidseitigen Schwächen und recht unklarer Stellungsbewertung steuerte Dietmar Kessler (3) ein Remis bei, das später noch Gold wert sein sollte. Den ersten Sieg holte Werner Junger (6), nachdem der Gegner dankenswerterweise aus einer für ihn gar nicht so schlechten Angriffsstellung heraus anfing, Figuren abzutauschen – vielleicht in der Hoffnung, gegen den stärker eingeschätzten Gegner die Punkteteilung zu erreichen. Dabei ging er jedoch zu viele positionelle Zugeständnisse ein und wurde letztlich niedergerungen. Michael Mehrer (5) wählte nach zahlreichen Remisen in dieser Saison einen idealen Zeitpunkt für den ersten Sieg: in einer komplizierten Stellung mit unausgewogener Materialverteilung behielt er die Übersicht und rechnete letztlich besser, was ihm den für das Team so kostbaren ganzen Zähler einbrachte. Die Gastgeber schlugen mit ihrer jungen Mannschaft aber nochmals zurück und verdeutlichten, warum sie bis zum Ende so stark an der Tabellenspitze mithalten konnten. Trotz recht gut verlaufener Eröffnung erlaubte sich Nikola Karacic (8) nach und nach zu viele Schwächen, die der Gegner sicher ausnützte, um die Partie nach Hause zu fahren.

Das Match steuerte beim Stande von 2,5:2,5 somit unweigerlich auf die Krise zu, denn der Ausgang der drei noch laufenden Partien war keineswegs klar. Bernd Grill (1) hatte lange Zeit bequemen Vorteil in einer Maroczy-Struktur, musste sich aber etwas einfallen lassen, um die Partie zu gewinnen, als folgende Stellung erreicht war:

Schwarz hat das Schlimmste bereits überstanden, denn die zahlreichen Abtausche haben seine beengte Stellung spürbar verbessert. Unser Spitzenbrett ging hier mit 26. f4-f5!? aufs Ganze und hoffte sicherlich auch auf eine schwache Verteidigung angesichts knapper gegnerischer Bedenkzeit. Es folgte jedoch das starke 26… g6xf5! 27. Sd4xf5 e7-e6! mit merklicher Verschärfung der Stellung, die allerdings keineswegs zum Nachteil des Schwarzen ausfällt. Da 28. Sf5xg7 Kg8xg7 29. Lg1-d4 e6-e5 überhaupt nichts ergäbe, geschah stattdessen 28. d5xe6 mit starker Anspannung ob der schwarzen Antwort. Schwarz entschied sich letztlich für 28… Dd7xe6?!, obwohl das Nehmen mit dem Bauer gut möglich und wohl stärker gewesen wäre. Es ging aber nicht weiter mit dem von der Engine vorgeschlagenen 29. g3-g4!, sondern mit 29. Lg1-d4 d6-d5, wonach sich Weiß vor eine schwere Entscheidung gestellt fand: auf f6 schlagen oder Schach auf c8 geben? Tatsächlich sieht 30. Ld4xf6 Lg7xf6 31. De2-g4+ Kg8-f8 32. Tc4-c7 für Schwarz gefährlich aus, aber leider hat Weiß nach 32… Th8-g8 33. Dg4-f4 Tg8-g6 objektiv nicht mehr als eine ausgeglichene Stellung vorzuweisen.
Die Partie wurde fortgesetzt mit 30. Tc1-c8+. Nicht möglich ist jedenfalls 30… De6xc8 31. Sf5-e7+ Kg8-h7 32. Se7xc8 Th8xc8 wegen der Widerlegung 33. De2-f1! mit Gewinn. Mit 30… Kg8-h7! hätte Schwarz jedoch nicht nur eine spielbare Stellung behalten, sondern sogar Chancen auf Vorteil gehabt, selbst wenn Weiß hier 31. Tc8-c7! finden sollte. Stattdessen erlaubte sich Schwarz unter Zeitdruck den tragischen Patzer 30… Lg7-f8??, der möglicherweise die Meisterschaft kostete. Nach der weiteren erzwungenen Zugfolge 31. Ld4xf6 De6xf6 32. De2-g4+ Kg8-h7 33. Dg4xh3+ Kh7-g8 34. Dh3-g4+ Kg8-h7 spielte Weiß den entscheidenden Zug 35. e4-e5!, der Schwarz nach 35… Df6xe5 36. Dg4-h5+ zur Aufgabe zwang, da im nächsten Zug die Dame durch einen Abzug des Springers nach h6 verloren geht. Was für eine Dramatik!

Dieser für die Ambitionen der Gastgeber schwere Schlag läutete das Ende endgültig ein, denn eigentlich wollte und musste Uli Junger (7) das Remis durch Dauerschach erzwingen, nachdem er den Gegner zuvor vom Haken gelassen hatte. Angesichts des Standes von 2,5:3,5 aus Sicht der Gastgeber sah sich sein Gegner genötigt, dem Remis unter großem Risiko auszuweichen – nur um kurz darauf einen ganzen Turm einzubüßen. Mit diesem eminent wichtigen Sieg war das Match eingetütet, wonach die vollkommen unnötige Niederlage von Michael Rupp (2), der einen Mehrbauer nach einer Unachtsamkeit wieder hergeschenkt hatte, zum Glück nicht mehr ins Gewicht fiel. Mit einigem Glück, aber auch viel Kampfgeist trug der SVE somit zumindest das bei, was in seiner Macht stand. Dann setzte das große Bangen ein, wie die anderen Begegnungen wohl ausgegangen sein mögen …

Hier das Endergebnis in der Übersicht:

Br. SG Donautal Tuttlingen 1 SV Ebersbach 1 3,5:4,5
1 Buschle, Lukas Grill, Bernd 0:1
2 Bueble, Joschua Rupp, Michael 1:0
3 Kulm, Justin Kessler, Dietmar ½:½
4 Sulzbacher, Kurt Wurmbauer, Nils 1:0
5 Stierle, Martin Mehrer, Michael 0:1
6 Günter, Alexander Junger, Werner 0:1
7 Hahn, Andreas Junger, Ulrich 0:1
8 Panek, Felix Karacic, Nikola 1:0

Im direkten Duell des Ersten gegen den Dritten setzte sich Pfullingen überraschend deutlich mit 6,5:1,5 durch und profitierte damit ebenfalls vom Ausrutscher unseres heutigen Gegners, der mit einem Sieg sogar von der Landesliga in die Oberliga durchmarschiert wäre! Für die kecke Mannschaft der Donaustädter mag dies im Moment eine herbe Enttäuschung darstellen, aber vor der Saison wurden sie als Abstiegskandidat gehandelt und haben die Erwartungen somit mehr als erfüllt. Wir sind zuversichtlich, dass diese Sichtweise letztlich die Oberhand gewinnt und sich nächstes Jahr eine neue Chance für dieses junge Team bietet. Gleichzeitig gratulieren wir den Schachfreunden Pfullingen zum Aufstieg in die Oberliga!

Eine Frage galt es aus Sicht des SVE aber noch zu klären: was würde der heutige Sieg wert sein? Nach und nach sickerte durch, dass unsere direkten Konkurrenten aus Ulm und Nürtingen ihre Matches gewonnen hatten und wir somit nur dann noch auf Platz 6 würden vorrücken können, wenn Mengen nicht gegen Wernau verloren haben sollte. Endlich, gegen 17.45 Uhr, war dann die erlösende Nachricht im Internet eingestellt: nach der starken Performance gegen uns aus der Vorrunde setzten die Oberschwaben nochmals eins drauf und besiegten auch Wernau mit 5:3, das somit auf den siebten Rang abrutschte. Damit ist der SVE definitiv gerettet, während Wernau und Tettnang auf die Ergebnisse des letzten Oberliga-Spieltags warten müssen, um zu erfahren, ob sie gerettet sind oder nicht. Mengen ist damit abgestiegen, kämpfte aber bis zuletzt und hat sich damit würdig und mit Anstand vorerst aus der Liga verabschiedet.

Hier die Endtabelle:

Verbandsliga Süd 2022/2023 – Tabelle (svw.info)

Besagter letzter Spieltag der Oberliga wird übrigens zentral am kommenden Sonntag (7. Mai) anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Schachvereins Ebersbach in der Aula des Raichberg-Gymnasiums ausgetragen. Beginn ist um 10 Uhr, fürs leibliche Wohl ist gesorgt. Der Eintritt ist frei, Zuschauer sind willkommen.

Eine Analyse der Saison erfolgt zeitnah an dieser Stelle.

Das Monatsblitzturnier April wurde übrigens zum ersten Mal von Nils Wurmbauer gewonnen, der diesmal mit 5,5 Punkten seine direkten Konkurrenten Bernd Grill (5) und Werner Junger (4,5) auf die Plätze verwies. Damit gelingt unserem Youngster kurz vor der Volljährigkeit ein weiterer symbolträchtiger Sieg, der Auftrieb für die anstehende Aufgaben geben sollte.

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