Als ich für diese neue Rubrik in meiner Schachpartiensammlung stöberte fiel mir sofort eine Partie auf, welche ich bei meinem ersten Schach-Open – der „1. Offenen Esslinger Stadtmeisterschaft“ im Jahr 1981 spielte. Die neu ins Leben gerufene Stadtmeisterschaft erfolgte auf Initiative der damaligen beiden Spielleiter vom SV Esslingen (Helmut Morgen) und SC Zell (Eugen Sohn) und sollte noch einige Auflagen erfahren.
Ich selbst bin damals 1980 in den SC Zell eingetreten und spielte 1981 die 2. Saison in der 2. Mannschaft (C-Klasse im Kreis ES-NT).
In der 1. Runde wurde mir mit Schachfreund R. Steimer, der damals für den SC Ostfildern in der Landesliga spielte, ein starker Gegner zugelost der sicherlich nicht ahnte, das die Partie für Ihn kein Selbstläufer wird. Doch sehen sie selbst…..
[Event "1.Offene ES-Stadtmeistersch."]
[Site "?"]
[Date "1981.??.??"]
[Round "?"]
[White "Steimer, Richard"]
[Black "Hehn, Hartmut"]
[Result "0-1"]
[ECO "A00"]
[BlackElo "1430"]
[Annotator "Hehn,Hartmut"]
[PlyCount "88"]
[EventDate "1981.??.??"]
[EventType "swiss"]
1. b4 {Bei meinem ersten offenen Schachturnier bekam ich in der 1. Runde
gleich ein Rating-Schwergewicht aus der damaligen Landesliga zugelost. Damals
wurde noch mit den Schweizer-System-Karten per Hand die Paarungen ausgelost.
Schachfreund Richard Steiner spielte für den Schachverein SC Ostfildern und
hat die für Ihn vertraute, und von Ihm mit Vorliebe gespielte " Orang Utan
Eröffnnung" gewählt.} e6 {Sein junger Gegner, welcher wie immer von
Eröffnungstheorie wenig Wissen hatte, war somit gleich vom 1. Zug an auf sein
Schachgefühl und den allgemeinen Eröffnungsprinzipen angewiesen.} 2. Bb2 Nf6
3. b5 c5 {Unbedarft die Zentralbauern nach vorne, so haben wir es im
Jungendtraining gelernt.} 4. e3 d5 {Das Zentrum besetzen kann nicht schlecht
sein.} 5. Nf3 Nbd7 {Ich war damals, sofern ich mich noch erinnern kann, wenig
von der Eröffnungsbehandlung beeindruckt und bewertete die beiden weißen
Züge mit dem B-Bauern als Tempoverluste. Also versuchte ich nützliche
Entwicklungszüge zu machen und abzuwarten was passiert.} 6. c4 b6 7. Be2 Bb7
8. O-O Bd6 9. d4 Rc8 {Als Jungspieler hatte man noch keine Priorität in der
Königssicherheit. Die Rochade soll erst folgen, wenn mir sonst nichts mehr
einfällt.} 10. Nbd2 O-O 11. a4 Re8 {Die Eröffnung ist abgeschlossen. Die
heutige Engine ist mit der schwarzen Stellung zufrieden - ich war es auch.} 12.
cxd5 exd5 13. Ba3 Bb8 {Die Art von Läuferbatterie hatte ich immer gerne
angestrebt - auch wenn nicht immer stellungsgemäß, so hatte der Gegner doch
stets wachsam zu sein.} 14. h3 Ne4 $1 {Schwarz nimmt Raum ein und erlangt
leichte Initiative.} 15. Rc1 Qc7 {So dreist würde mancher "Erwachsene"
vielleicht nicht spielen. Aber mit 15 Jahren war man da hemmungslos. Die
Turmopposition scheinte mich nicht zu stören.} 16. Rc2 Re6 17. Re1 Rf6 {
Stellt konkrete Drohungen auf.} 18. Nf1 {Nimmt erst mal alle Drohungen von h2
aus der Stellung - jedoch wird der Raumvorteil noch mehr ausgeweitet:} (18. Bd3
$2 Nxd2 19. Qxd2 Rxf3 20. gxf3 Qh2+ 21. Kf1 Qxh3+ 22. Ke2 c4 $19) 18... c4 19.
Bb4 a6 $1 {Nach Jahren finde ich es erstaunlich, daß ich im Angriffsdrang die
Option erkannt habe, die Damenflügelbauern zu schwächen, um deren
Feldereinfluß zu bekämpfen.} 20. Bd3 Re6 21. Bxe4 Rxe4 22. Ng3 Re6 23. Nf5
Rce8 24. Ng3 {Dieses Zugeständnis war wohl der Ermangelung besserer Ideen
geschuldet.} Nf8 25. Ne5 Ng6 26. f4 {Die war die weiße Verteidigungsidee.}
Nxe5 {Der gut stehende wS muß eliminiert werden.} 27. fxe5 axb5 28. axb5 Qd7 {
Hoppla - da ist ja auf einmal ein neues Ziel !} 29. Bc3 f6 {Und wieder bin ich
nach Jahren erstaunt, daß ich nicht "einfach" mich auf b4 bedient habe,
sondern auf der Suche nach noch besseren Alternativen Aussschau hielt!} 30. e4
{Weiß ist des Druckes leid und versucht weiter zu verkomplizieren.} dxe4 31.
Nxe4 {Klar das dieser Springer weg muß !} Bxe4 32. Rxe4 Rxe5 $1 {bester Zug
laut heutiger Eingine.} 33. Rxe5 Rxe5 $2 {Dies war jedoch ungenau: besser
wäre gewesen:} (33... Bxe5 34. Qf1 Bxd4+ 35. Kh1 Bxc3 36. Qxc4+ Kf8 37. Qxc3
Qxb5 {mit deutlichem Vorteil}) 34. Re2 (34. Qf1 $1 {hätte mehr Wiederstand
geleistet.} Rxb5 35. Qxc4+ Rd5 36. Ra2 b5 37. Qb3 Qf7 38. Ra8 Rd8 $15) 34...
Rxb5 {nun steht Schwarz auf Gewinn!} 35. Qe1 Kf7 {Umsicht ist geboten um nicht
noch was anbrennen zu lassen.} 36. Re4 Bd6 37. Qe2 Rb1+ $1 38. Be1 Bb4 39. Qh5+
(39. Qxc4+ Kf8 40. Qf1 (40. Kf1 $4 Qf5+ $19) 40... Rxe1 41. Rxe1 Qxd4+ 42. Qf2
Qxf2+ 43. Kxf2 Bxe1+ 44. Kxe1 $19) 39... Kf8 $19 40. Kf1 {nach Kf1 erkannte
ich die Abwicklung ins einfach gewonnene Königsendspiel und zögerte nicht
lange} Rxe1+ 41. Rxe1 Bxe1 42. Kxe1 Qe8+ 43. Qe2 Qxe2+ 44. Kxe2 {und nach} Ke7
{wollte es Schachfreund Steiner nicht länger weiterspielen. Ein für meine
damalige Spielstärke (C-Klasse-Spieler Ingo-Ratung ca.200 = ca. 1430 DWZ)
beachtlicher Erfolg, für die ich von unserem viel zu früh verstorbenen
Spielleiter und Turnierdirektor Eugen Sohn väterlich und anerkennend gelobt
wurde. Mir wurde erst später erklärt, daß ich damit zum ersten Mal in
meiner Schachkarriere einen Landesligaspieler bezwungen habe.} 0-1