Verpasste Chancen (2)

Nach dem locker-flockigen Auftakt in der vergangenen Woche zieht der Schwierigkeitsgrad nun merklich an. Diesmal scheiterte ein Schwergewicht mit mehr als 2700 ELO an dem Problem.

 

Gelfand – Kamsky, Wijk aan Zee 2012
Schwarz am Zug

Der erste Eindruck könnte lauten, dass das reduzierte Material einen Gewinn für Schwarz in weite Ferne rücken lässt. In Wirklichkeit ist aber die exponierte Stellung des weißen Königs ausreichend, um diese Stellung zu gewinnen.

Der US-amerikanische Großmeister Gata Kamsky gehörte viele Jahre lang zur Weltelite, doch auch ihm gelang es nicht, das Maximum aus dieser Stellung mit den schwarzen Steinen herauszuholen. Zeitnot und psychologische Faktoren dürften dabei beide eine gewichtige Rolle gespielt haben, denn der Gewinn in der Diagrammstellung ist alles andere als leicht zu finden.
Kamskys Wahl 1… Te6-e4? brachte ihm jedenfalls nichts ein …

FRAGE 1: Mit welchem geistreichen Manöver hätte Kamsky gewinnen können?

Der ausgelassene Gewinn bedeutete jedoch noch nicht das Ende der Abenteuer:

Schwarz am Zug

Wenige Züge später hätte sich Gata Kamsky nochmals eine Chance geboten, entscheidenden Vorteil zu erlangen, doch auch diese Gelegenheit ließ er im letzten Zug vor der Zeitkontrolle ungenutzt, worauf die Partie schließlich vier Züge später mit einem hart umkämpften Remis endete.
Mit Kamskys Zug 1. … Te8-e6? ließ sich der Gewinn jedenfalls nicht erzwingen …

FRAGE 2: Welcher Zug hätte Kamsky hier entscheidenden Vorteil gesichert?

============================== LÖSUNG ==============================

DIAGRAMM 1:

In der ersten Stellung hätte Gata Kamsky mit dem schwierig zu entdeckenden Manöver 1… Dc5-c7+
2. Kg3-f2 Dc7-h2!!
entscheidenden Vorteil erlangen können. Mit diesem Zug, der jeglicher Intuition zuwider läuft und die Dame scheinbar vom Hauptgeschehen entfernt, wird dem weißen Monarchen der Rückzug abgeschnitten. Der nun drohende Zug 3… Te6-e4 nebst 4… Te4-f4+ mit Gewinn ist nicht zu parieren, da die Verteidigung 3. Dh4-g3 einfach an 3… Te6-f6+ scheitern würde.

DIAGRAMM 2:

Den zweiten Gewinn ließ Schwarz aus, als er das mögliche 1… Dc6-h6!! versiebte. Auch diesen Zug an den Brettrand abseits des Geschehens hat man wohl kaum auf dem Schirm: er überrumpelt den Anziehenden an seiner schwächsten Flanke. Erstaunlicherweise hat Weiß keinen vernünftigen Weg, seinen angegriffenen Bauer zu decken. Schwarz dringt entweder mit der Dame über die h-Linie oder mit dem Turm entscheidend auf e2 ein, zum Beispiel: 2. Dd4-d3 Dh6-h4+ 3. Dd3-g3 Te5-e2+! oder stattdessen 2. Td1-h1 Dh6-f6+! mit Matt in wenigen Zügen.

In beiden Fällen hätte Kamsky in Zeitnot die psychologische Barriere, die Dame nicht freiwillig an den Brettrand zu ziehen, erfolgreich überwinden müssen, um zu gewinnen.
An dieser Aufgabe wären (zumindest in Zeitnot und ohne Fingerzeig) sicherlich auch viele andere starke Spieler gescheitert. Respekt, wenn Sie die Aufgaben tatsächlich lösen konnten!

 

Kommentar hinterlassen