oder: der Ur-Magnus
respektive die „Verfeinerte Skandinavische Verteidigung“
Als der Berichterstatter heute Nachmittag, wie er es zumindest hin und wieder tut, durchs Fernsehprogramm zappte, kam er auch am `Kika`, dem Kinderkanal, vorbei. Normalerweise bleibt er da altersbedingt ja nicht mehr hängen, doch wenn da gerade zufällig eine Folge der legendären Kinderserie `Wickie und die starken Männer` läuft, blieb der Berichterstatter offenbar in einer Art spontanen „nostalgischen Backflashs“ dann halt nun doch hängen; schließlich stand die damals in den Siebzigern da wohl nicht nur bei ihm ganz weit oben auf der Favoritenliste seiner „Must-See-Events“.
Die Mannen um Wikingerhäuptling ´Halvar von Flake´waren in dieser Folge ins winterliche Russland gesegelt, um dort Tierfelle (ob man das Kindern heutzutage noch zumuten würde?^^) verkaufen zu wollen. Kurz vor dem Exitus durch Verhungern, Erfrieren und Erschöpfung (welcher Russlandfeldzug da wohl Pate gestanden haben mag?!) hatte Häuptlingssohn Wickie (nein, er war nicht dessen Tochter, wie der Berichterstatter ob seines Namens und Frisur seinerzeit dann doch irgendwann mal gerafft hatte im Gegensatz offenbar zu manch anderem, worauf entsprechende Youtube-Kommentare und zugehörige Thump-Ups schließen lassen) gerade noch rechtzeitig die rettende Stadt erblickt…
Beim Versuch, dort nun ihre Tierfelle zu verhökern, wurden die Nordmänner nun jedoch umgehend festgenommen, denn ohne ausdrückliche Genehmigung von König Tonkel (hmm, seltsamer Name; eigentlich hatte der Berichterstatter bei einem russischen König eher einen `Dimitri`oder `Wladimir`erwartet^^) darf in seiner Stadt niemand Handel treiben – es sei denn, wie verlautbart wurde, die Betreffenden können – ja was wohl, wenn man sich eben in RUSSLAND befindet – halt …
SCHACHspielen …
Bei der schiffsbesatzungsinternen Befragung stellte sich nun allerdings heraus, dass dieses Spiel offenbar seinerzeit eher unpopulär in Wikingersiedlungen oder zumindest in Flake war; keiner bekundete dem König gegenüber, dass er dessen Regeln mächtig sei – außer Häuplingssohn Wickie, der nach eigenem Bekunden öfter mal mit Schwester Ylvi Schach spielen würde (offenbar sind Skandinavier(innen) seit jeher ziemlich emanzipiert) – allerdings nur schlecht, wie er freimütig bekannte. Entsprechend konnte der König mit den Nordmannen und auch mit Wickie erst einmal nicht viel anfangen; schließlich sehnt sich König Tonkel so sehr nach einem adäquaten Schachpartner, der ihm seine chronische Langeweile zu vertreiben vermag und den er in seinem (O-Ton) „armseeligen Kaff“ nicht zu finden vermag. Lediglich an Dorfpoet Ulme konnte er Gefallen finden, da er sich außer für Schach als gestandener Russe auch für Dichtung zu begeistern vermag – insbesondere, wenn er mit entsprechenden poetischen Kreationen ins rechte Licht gerückt und seiner Eitelkeit entsprechend geschmeichelt wird, wie man bald erkannte. Dennoch bestand letztlich die einzige Chance, die mitgebrachten Felle verkaufen zu können und damit die inzwischen vollständig geleerte Reisekasse aufzubuchen, dass sich eben Häuplingssohn Wickie als einzig halbwegs Sachkundiger doch auf eine Schachpartie mit dem König einlässt, den er für eine entsprechende Handelserlaubnis aber auch zu schlagen hatte…
Wir alle hatten uns ja vor einiger Zeit seinerzeit wohl verwundert die Augen gerieben, dass ausgerechnet ein junger Schachrookie aus dem scheinbar schachkulturell rückständigen Norwegen letztlich bis zum Weltmeister aufzusteigen vermochte. Diese Folge beweist freilich posthum wohl witzigerweise, dass der offenbar doch nicht ganz von ungefähr ausgerechnet aus dieser Ecke der Welt kam und offenbar im kongenialen Häuplingssohn vermutlich einen direkten Ahnen hatte …
So weit, so gut. So tatsächlich interessant und auch so richtig amüsant (davor vermochte der König schon zumindest das eine oder andere Schmunzeln oder gar Lachen zu entlocken mit so bisweilen auch pädagogisch wertvollen Aussagen wie (zit.) „wer nicht Schach spielen kann, ist ein dummer Mensch“) wurde es jedoch beim Beginn der Partie. Hier zeigte sich zum Erstaunen des Berichterstatters, dass da im Zuge der Kreation der Folge offenbar mehr Sach- bzw. Schachverstand eingeholt wurde als in manch anderem Realfilm, in dem mal eine Schachpartie zu sehen war und so Sachen zu beobachten waren wie falsch gedrehtes Brett oder aufgebaute Figuren, unmögliche Züge etc. – und das, obwohl die Trickfilmserie damals wie seinerzeit auch die populärsten anderen wie `Biene Maja`, `Heidi` oder `Pinoccho`in Japan produziert wurde, die zwar trickfilmtechnisch damals besonders versiert waren, aber damals wie heute ein absolutes Schach-Entwicklungsland darstellen (jedenfalls in unserer europäischen Spielart).
Die Partie (Wickie führte die schwarzen Steine) begann nun, wie zweifelsfrei zu beobachten war, mit …
1.e4 h5!? dem Kommentar des Königs hierauf zu schließen, gab dies (wie wohl auch uns) diesem bereits einen ersten Anhaltspunkt zur Einordnung des jungen Gegners …
Der kundige König ließ natürlich, wie wir´s wohl auch alle gespielt hätten, nun natürlich …
2.d4 folgen, worauf Wickie recht flugs doch tatsächlich (und da musste sich der Berichterstatter nun wirklich glatt auf die Schenkel klopfen)…
2…d5! folgen ließ!
Oder ist das halt einfach so zu sehen, dass von einem waschechten Nordmann die Skandinavische Verteidigung einfach zu erwarten war? Jedenfalls in dieser verfeinerten Form mit vorgeschaltetem 1…h5 ist das aber eine Idee, die offenbar seinerzeit bei der Erstausstrahlung der Partie von den zeitgenössischen Eröffnungstheoretikern offenbar völlig übersehen wurde.
Es folgte nun weiter …
3.Sf3!? der Berichterstatter konnte sich wieder ein breites Schmunzeln nicht verkneifen; offenbar hatte der König geplant, auf das nun auf der Hand liegende 3…dxe4 mit 4.Sg5 den Bauern zurückholen zu wollen; wie elegant bis exaltiert aber auch …
Wickie ist (war) aber halt ebenfalls nicht ein Normalschächer und -sterblicher wie der Berichterstatter und setzte stattdessen seiner Reaktion auf den Antwortzug des Königs zu schließen zwar eher versehentlich, letztlich aber vielmehr wohl eher psychologisch höchst clever mit 3…Lf5!? fort, worauf sich entsprechend nun der russische König ein breites Lachen nicht verkneifen konnte und mit …
4.exf5 die eingestellte Figur eben mitnahm.
In der Folge konnte man sehen, dass Wickie eher unfreiwillig auch weiter zunächst im Gambitstil fortsetzte und es entsprechend nicht bei diesem einmaligen Figurenverlust geblieben ist, worauf die die Partie als Kiebitze mitverfolgenden Nordmänner erst mal immer längere Gesichter machten.
Letztlich erwies sich dies aber rein schachpsychologisch gesehen als DER Königsweg zum Erfolg! Wie es die Dramaturgie eben verlangt (wer möchte am Ende der Serie als Eltern auch schon weinende Sprößlinge sehen?!), wurde König Tonkel dann am Ende in zugegebenermaßen totaler Gewinnstellung nämlich doch noch das Opfer seiner mit fortschreitendem Spielverlauf immer größer gewordenen eigenen Arroganz, indem er …
… na, das sollte der Berichterstatter nun besser bzw. vorsichtshalber vielleicht nun mal doch noch nicht verraten 🙂
Viel Spaß also beim Anschauen der Folge`Wickies Sieg`! (auch wenn die Bildqualität leider nicht die beste ist; trotz längeren Suchens konnte der Berichterstatter keine bessere Fassung finden, da die Folge auch in keiner aktuellen Mediathekfassung zu finden ist. Am besten also wohl doch nun in halber Bildschirmgröße anschauen)